Am nächsten Tag ging es in aller Frühe weiter. Kurz gefrühstückt und dann schnell auf den Weg gemacht zum 360° Panorama "Luther 1517" von Yadegar Asisi. Auch hier hatten wir eine Führung und haben so auch die eine oder andere Information erhalten und wurden auf Details aufmerksam gemacht, die uns sonst sicher entgangen wären. Von außen eher unspetakulär, steht man im Innenraum plötzlich mitten in einer gewaltigen Ausgabe von Wittenberg zu Martin Luthers Lebzeiten. Es war wie ein gewaltiges historisches Wimmelbild, in dem sich an mehreren Stellen der Wittenberger Reformator in wichtigen Situationen seines Lebens entdecken ließ. Auch andere wichtige Personen der Stadt zur Zeit der Reformation waren zu finden, so zum Beispiel Luthers Freund und Mitstreiter Melanchthon. Interessant war auch, dass es im Panorama einen Wechsel der Tageszeiten gibt, und sich zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedliche Details entdecken ließen. Es lohnt also, eine Zeit lang zu verweilen - man kann unheimlich viel entdecken.
Nach dem Besuch des Panoramas blieb uns Zeit für einen Spaziergang durch die Innenstadt. Die Stadtkirche, Wittenbergs zweite bedeutende Kirche, konnten wir aus zeitlichen Gründen an jenem Tag nur von außen betrachten, ebenso wie das Melanchthonhaus sowie die Cranach-Höfe, an denen wir vorbeispazierten. Aber schließlich brauchten wir auch ein wenig Zeit um uns nach Souvenirs umzusehen, sowohl für die Nachbarn, die sich während unserer Abwesenheit um Haus und Tiere kümmerten, als natürlich auch als Andenken für uns selbst. Ich denke, Martin Luther wäre vermutlich ausgerastet, hätte er sehen können, wofür sein Gesicht heute so alles herhalten darf. So gab es beispielsweise Keksausstecher in der Form seines Gesichtsprofils, Quietscheentchen oder in Luther-Outfit zu kaufen und als der absolute Verkaufsschlager gilt der aufmüpfige Mönch als Playmobil-Figur, inklusive Schreibfeder und Lutherbibel in den Händen. Zugegebenermaßen alles ganz nach meinem Geschmack, aber sicher ein Dorn im Auge manches Christen. ;)
Portal der Stadtkirche
Gegen Mittag entdeckten wir dann eher zufällig eine kleine Ausstellung im Hof des Stadthauses, die für mich zu einem Highlight des Tages wurde. Gezeigt wurden "Unheilige Bilder - Cartoons zu Kirche und Religion heute". Einfach großartig! Viel schwarzer Humor, manch bitterböse Anspielung - ich zumindest kam aus dem Grinsen gar nicht mehr raus. Gerne hätte ich im Anschluss den Ausstellungskatalog mitgenommen, aber dieser war entäuschenderweise so kurz nach Ausstellungsbeginn vor Ort bereits ausverkauft. Da dachte ich mir mal wieder, dass die Leute wohl nie aufhören werden, das Interesse, das an Cartoons und Comics besteht, zu unterschätzen.
Nach einer wohl verdienten Mittagspause ging es dann in die große Luther-Ausstellung diesen Jahres. Und sie ist wirklich riesig, die Ausstellung "Luther! 95 Schätze - 95 Menschen" im Augusteum am Lutherhaus. Und vor allem ist sie auch gut aufgebaut und spannend. Gezeigt werden, wie der Name ja schon ahnen lässt, 95 verschiedene Objekte, die irgendwie mit Luther in Bezug stehen. Zu jedem der Objekte gibt es dann noch die Lebensgeschichte einer Person, die durch Luther und seine religiösen Ideen beeinflusst wurde. Viele der präsentierten Personen kennt man - so zum Beispiel Astrid Lindgren, doch manche waren zumindest mir auch völlig unbekannt. Von allen kam man jedoch Aspekte zu Gesicht, die man so vorher noch nicht betrachtet hatte. Die Texte hatten zudem alle eine Länge, die es möglich machte, sie auch alle bei einem Besuch zu lesen, ohne irgendwann völlig erschlagen aufzugeben, wie es bei manchen Ausstellungen schonmal der Fall ist. In der Ausstellung gibt es übrigens noch eine zweite Mitmach-Ausstellung speziell für Kinder. Diese trägt den Titel "Der Mönch war's!" und führt die Kinder gemeinsam mit Luthers Hund Tölpel durch die Geschehnisse der Reformation. Eine schöne Idee, finde ich.
Wir schlossen unseren Kultur-Marathon durch Wittenberg schließlich im alten Gefängnis ab. Dort gab es die Ausstellung "Luther und die Avantgarde" zu sehen, mit zeitgenössischer Kunst. Da ich mit dieser Art Kunst bisher wenig zu tun hatte, waren mir bis auf Ai Weiwei alle Künstler im Vorfeld vollkommen unbekannt, der Berichterstattung nach scheinen aber doch einige von ihnen in der entsprechenden Szene namhaft zu sein. Der Aufbau der Ausstellung war jedenfalls ziemlich interessant, die meisten Künstler hatten für ihre Werke eine der ehemaligen Zellen erhalten und konnten diese dann gestalten. Als Besucher konnte man die meisten der Zellen dann betreten und alles von ganz nah betrachten. Ich muss zugeben: viele der Werke haben mir persönlich nichts gesagt, ich wusste einfach nicht, was ich damit anfangen soll. Manche haben es aber doch geschafft, mich in irgendeiner Form zu erreichen. Sehr unterhaltsam fand ich gleich das erste gezeigte Werk, "Casting Jesus" von Christian Jankowski. Ein altes, leeres Becken im Keller des Gefängnisses dient hier als Kinosaal, von dem aus man ein Video mit einem Casting für die Rolle des Jesus sieht. Die Kandidaten müssen überzeugend predigen, leidend gucken und natürlich angemessen würdevoll daherschreiten. Eine andere Installation fand ich ziemlich verstörend. Man betrat einen abgedunkelten Raum, der durchdrungen war von beunruhigenden Geräuschen, und mehrere Bildschirme zeigten beklemmende Bilder. Irgendwann blitze auf einem der Bildschirme der Titel "Die 95 Prothesen von Verdun" auf. Auf wieder ganz andere Art beeindruckend war dann gegen Ende ein Roboter, der die Bibel in Kalligraphie mit einem handelsüblichen Füllfederhalter schrieb. Ganz langsam, sodass diese bis zum Ende der Ausstellung fertig sein sollte. Ein Werk erfreute sich bei Erwachsenen, Kindern und Aufsehern großer Beliebtheit, weil es einen Käfig aus durchsichtigen Gitterstäben zeigte, die mit verschiedenen Bonbons gefüllt waren und entnommen werden durften. Im Nachhinein bereue ich es jedenfalls nicht, mir die Ausstellung angesehen zu haben, auch wenn mich Begriffe wie moderne oder zeitgenössische Kunst eigentlich eher ein wenig abschrecken, weil ich zu oft so gar nichts damit anfangen kann.
Das alte Gefängnis
So endete dann auch schon - viel zu früh! - unser Besuch in Wittenberg. Es hätte noch so viel zu sehen gegeben, und für viele der besichtigten Dinge hätte man sich auch gut und gerne mehr Zeit nehmen können. Aber es war ja nicht zu ändern. Wir überlegen schon, wann wir das nächste Mal fahren sollen. Vielleicht nächstes Jahr ja einmal wieder zu "Luthers Hochzeit", dem großen Stadtfest mit Mittelaltermarkt? Mir persönlich würde das jedenfalls sehr gut gefallen, hat doch genau dort vor mittlerweile neun Jahren mein Einstieg in die Welt des Mittelalters begonnen.
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