Lange hat es gedauert, aber nun habe ich es endlich geschafft, den zweiten Teil meines Artikels zur nordischen Mythologie fertigzustellen. Diesmal soll es um das Bild der Welt gehen, welches in den Mythen vermittelt wird. Viel Spaß damit!

Die Entstehung der Welt in der nordischen Mythologie:

Keine Mythologie, die etwas auf sich hält, kommt ohne Schöpfungslegende aus. Da bildet auch die nordische Mythologie keine Ausnahme. Dazu, wie diese Entstehungsgeschichte der Welt aussieht, liefert der Isländer Snorri Sturluson in seiner mittelalterlichen Prosa-Edda den wohl entscheidendsten Beitrag.

Am Anfang war seiner Schilderung nach nichts als Chaos. Im hohen Norden befand sich Niflheim, wo ewiges Eis herrschte. Im südlichen Muspelheim hingegen gab es nur Feuer. Eines Tages kamen diese beiden Extreme in einem Graben namens Ginnungagap in Berührung miteinander und aus ihnen entstand das erste lebende Wesen, der Urriese Ymir.

Dieser nahm sich bald eine Gefährtin, die Kuh Audumla, die ihn auch nährte. Wieso es ausgerechnet eine Kuh war und woher diese kam, wirft natürlich gewisse Fragen auf – doch in der Mythologie ist es nun einmal wie in der Religion und manche Fragen werden wohl für immer ungeklärt bleiben.

Jedenfalls gelang es jener Urkuh, den ersten Menschen aus einem Stein zu lecken. Dieser erhielt den Namen Búri. Ymir hingegen gebar aus seiner Achselhöhle das erste Riesenpaar.

Der Menschensohn Búri bekam irgendwann einen eigenen Sohn, der sich mit einer Riesentochter verband. Zusammen bekamen sie drei Kinder: Odin, Vili und , ihres Zeichens die ersten Götter.

Undankbar, wie Verwandte zuweilen sind, brachten diese drei jungen Götter eines Tages Ymir um. Ihre Tat sollte jedoch durchaus positive Folgen für die Zukunft haben, denn aus seinen Körperteilen gestalteten sie die Welt. So wurde aus Ymirs Schädel der Himmel gemacht und aus seinem Gehirn die Wolken. Aus seinem Fleisch schufen sie Inseln und Länder und aus seinem Blut das Meer, die Augenbrauen verwendeten sie für Midgard, die Heimat der Menschen.

Insgesamt standen die Götter den Riesen damals wohl schon recht negativ gegenüber, denn sie verbannten die übrigen von ihnen in das unwirtliche Utgard. Menschen schienen ihnen da schon deutlich mehr zuzusagen, so dass sie aus angeschwemmten Stämmen das erste Menschenpaar Ask und Embla schufen. Ich schätze, ich bin nicht der einzige, der hier einen dezenten christlichen Einfluss wittert – auch wenn dieser in der aktuellen Forschung eher angezweifelt wird.

Nachdem wir nun also gesehen haben, wie laut nordischer Mythologie die Welt entstanden ist, scheint es im Anschluss nur logisch, sich einmal anzuschauen, wie die fertige Welt ausgesehen haben soll.

Wie sieht sie also aus, die Welt der nordischen Mythologie?

Der Vorstellung nach, die in den schriftlichen Quellen zur nordischen Mythologie vermittelt wird, hat die Welt einen Aufbau, der uns aus heutiger Sicht etwas seltsam anmuten mag.

Die Menschen leben dieser Vorstellung nach in Midgard. Außerhalb ihrer Welt liegt Utgard. Dort leben fremde Wesen wie Trolle und Riesen, die selbst den Göttern gefährlich werden können. Getrennt sind die beiden Welten durch ein riesiges Meer, das kein Mensch überqueren kann, weil in ihm die riesige Midgardschlange haust. Dieses Ungeheuer ist eines der Kinder des listigen Gottes Loki. Oft wird sie als Ouroboros dargestellt – sie beißt sich also in den eigenen Schwanz und bildet so einen Weltkreis.

Dann gibt es da natürlich noch Asgard, den Sitz der Götter. Dieser kann von Midgard aus über die Regenbogenbrücke Bifröst erreicht werden. Bewacht wird sie vom Gott Heimdall, einem Sohn Odins.

Im Zentrum des ganzen Weltengebildes jedoch steht ein Baum – Yggdrasil, die Weltenesche, die auch die ganze Welt umspannt. Ihre Wurzeln reichen bis in die Unterwelt, wo die Totengöttin Hel herrscht und seine Krone stützt das Himmelszelt. Am Fuße des Baumes entspringen verschiedene Quellen, unter ihnen auch jene, an der Odin von Mimir die Runen empfängt. Auch die drei Nornen haben an Yggdrasils Fuß ihren Sitz und weben dort die Schicksalsfäden der Menschen.

Doch wie das nun einmal mit lebenden Wesen wie Bäumen der Fall ist, so ist auch Yggdrasil nicht unsterblich. So fressen am Fuße des Baumes Hirsche die Triebe ab während unterirdisch Schlangen an den Wurzeln nagen. Da Yggdrasil aber wie bereits erwähnt die Welt stützt und zusammenhält, ist die logische Konsequenz, dass auch die Welt um sie herum nicht unsterblich ist. Und auch davon, wie dieses Weltenende aussehen wird, hat man in der nordischen Mythologie eine ganz genau Vorstellung: Das Stichwort lautet Ragnarök.

Das Ende der Welt – Ragnarök

Die Welt in der nordischen Mythologie ist nicht auf Unendlichkeit ausgelegt. Das wissen auch schon die Götter, und so beginnt der Anfang vom Ende auch ausgerechnet mit dem Tod eines der ihren, den die Götter so schmerzhaft zu verhindern versucht hatten.

Balder, ein Sohn Odins uns seiner Gattin Frigg ist eine jener Gestalten, bei der man von Anfang an befürchten muss, sie seien einfach zu perfekt für diese Welt: Von allen gemocht, immer gut und freundlich, ist er der Liebling der Götter. Als er eines Nachts von seinem eigenen Tod träumt, setzt seine Mutter alle Hebel in Bewegung, um diesen zu verhindern. Dazu nötigt sie allen Dingen auf der Welt das Versprechen ab, ihren Sohn nicht zu verletzen. Einzig eine kleine Mistel wird von dem Schwur befreit – sie scheint einfach zu jung und harmlos, als dass man sie einen solchen Schwur leisten lassen könnte. Eine Entscheidung, die sich als großer Fehler herausstellen sollte…

Loki, das Enfant Terrible unter den Göttern, sieht Balders Beliebtheit gar nicht gerne. Und als er dann von dem kleinen Mistelzweig erfährt, eröffnet sich ihm die Chance, auf die er gewartet hat. Als sich die Götter eines Tages einen Spaß daraus machen, mit verschiedenen Dingen nach dem nun unverletzlichen Balder zu werfen, überredet der listige Gott Hödur, Balders blinden Bruder, den Mistelzweig nach diesem zu werfen – und macht ihn so unfreiwillig zum Brudermörder.

Die Götter versuchen im Anschluss Balder aus der Unterwelt zurückzuholen, doch auch dieser Versuch wird von Loki vereitelt, weil er sich als einziges Wesen auf der ganzen Welt weigert, um den guten Gott zu trauern. Auch wenn Loki im Anschluss daran fürchterlich für seine Tat bestraft werden wird, kann das Weltenende nicht mehr abgewendet werden.

Ragnarök beginnt mit einem drei Jahre andauernden Krieg. Ihm folgt der schreckliche, ebenfalls drei Jahre währende Fimbulwinter. Es kommt zu Überschwemmungen und Naglfar, das Schiff aus den Nägeln der Verstorbenen, setzt die Segel. Heimdall bläst in das Gjallarhorn um Götter und Menschen zu warnen. Die Einherjer – die in der Schlacht gestorbenen Krieger, die Odin in Wallhall versammelt und auf den letzten Kampf vorbereitet hat, machen sich zum Kampf bereit und das große Gemetzel beginnt: Die Regenbogenbrücke Bifröst stürzt ein, der Gott Tyr und der Höllenhund Garm töten sich ebenso gegenseitig wie Thor und die Midgardschlange. Odin wird vom Fenriswolf verschlungen, Loki und Heimdall fallen beide im Kampf gegeneinander. Der Feuerriese Surt setzt schließlich die ganze Welt in Brand – doch schließlich wird aus diesem Chaos eine neue, bessere Welt entstehen. Eine Welt, in der auch der gute Balder wieder unter die Lebenden zurückkehren soll…

Das war dann also Teil 2 meiner kleinen Serie zur nordischen Mythologie für euch. Ich hoffe, sie hat euch gefallen. Wer noch einmal Teil 1 nachlesen möchte, hier geht es zum Artikel:

Die nordische Mythologie Teil 1 - Was versteht man eigentlich unter Nordischer Mythologie?

Im nächsten Teil, der erscheinen wird, wenn er eben fertig ist, möchte ich mich ich mich etwas eingehender mit einigen der Göttern beschäftigen. Ich würde mich freuen, wenn ihr wieder reinlest.
Feedback ist natürlich erwünscht. Auch wenn ihr Fehler entdeckt, würde ich mich über eine Anmerkung freuen.